Das Unterbewusstsein und die Folgen
Human brain function represented by red and blue gears in the shape of a head representing the symbol of mental health and neurological functioning in patients with a depression disability.

Unser Unterbewusstsein und die Folgen     Credit:iStock/wildpixel

Das Unterbewusstsein und die Folgen

Wie unsere Wahrnehmung uns trügt, unsere Emotionen uns treiben und unser Wille nur sehr bedingt „unser“ Wille ist.

Dr. Hans Georg Häusel beschäftigt sich seit Langem mit den Zusammenhängen zwischen Neurologie, Neuromarketing und Verkaufspsychologie. Seinen Weg durch die Tiefen und Untiefen des menschlichen Gehirns schildert er in höchst unterhaltsamen Reisen und ist dabei ein gefragter Berater und Redner. Als Hirnforscher zeigt er, wie Entscheidungen im Gehirn wirklich fallen.

Weitgehend unbewusst und immer emotional. Dieses Wissen verändert unsere Selbst – und Weltbilder zusehends und wirft ein neues Licht auf selbstverständliche geglaubte Paradigmen. Über Unterbewusstsein, die Wahrnehmung, unsere Emotionen undunseren vermeintlichen freien Willen.

Credit: Dr. Georg Häusl

CONCENTRATE 2011 | Dr. Hans Georg Haeusel, Neuromarketing Experte / Credit:Dr.Georg Haeusel

Im Bereich Marketing und Verkauf enthüllt er, wo die vielen kleinen unbewussten Kaufknöpfe sitzen, was Kunden unterscheidet und wie man Kunden verführen und für sich gewinnen kann. Er unterscheidet dabei, nicht ob es sich um Konsumgüter, um Handel, um Banken und Dienstleister oder um B2B-Technologieunternehmen handelt. Für den Management Bereich zeigt er, wie Motivation und Führung aus Sicht des Gehirns wirklich funktionieren und was Unternehmen erfolgreich macht.

Die Macht des Unterbewusstseins, der freie Wille, Emotionen und vermeintlich gut überlegte Entscheidungen sind seine Lieblingsthemen. Die neuen Dimensionen, die er einem im Gespräch eröffnet sind, schier grenzenlos und manchmal mehr als überraschend. Unser Bewusstsein ist niemals darauf ausgelegt alle Informationen, die auf uns niederprasseln zu bewerten und zu verarbeiten.

Wir filtern die tägliche Informationsflut nach Bedeutung und Wichtigkeit für unsere eigenes Leben oder das unserer Liebsten. Dabei sind wir meist von uns selbst, unserer Wahrnehmung und unserer freien Entscheidungsmöglichkeit überzeugt. Prof. Häusel rückt dieses Bild zu Recht und erklärt, wie unsere emotionalen Systeme unsere Entscheidungen verwalten.

In seinen fesselnden Vorträgen erreicht er mit viel Humor und einem angenehmen Stil alle Zuhörer gleichermaßen. Im KOPFSACHE-Interview offenbart er Erkenntnisse aus seinen Büchern, analysiert den vermeintlich freien Willen und erklärt wie emotional unsere Entscheidungsprozesse tatsächlich ablaufen.

Credits: Dr. Hans Georg Häusl

CONCENTRATE 2011 | Dr. Hans Georg Haeusel, Neuromarketing Experte/Credit: Dr. Hans Georg Haeusel

Think Limbic! – Die Macht des Unbewussten verstehen und nutzen, ist der Titel eines Buches von Ihnen. Von welcher Art Macht sprechen Sie?

Durch die Gehirnforschung haben sich in den letzten 15 Jahren zwei große Veränderungen in unserem Selbstbild ergeben. Das wird in diesem Buch beschrieben. Erstens findet im Unbewussten sehr viel mehr statt, als wir nur im Entferntesten glauben. Zweitens sind die eigentlichen Herrscher in unserem Kopf die Emotionen und diese beiden fasse ich zusammen als die Macht des Unbewussten. Die Verarbeitung und die Bewertung der Emotionen erfolgen weitgehend unbewusst. Wir bekommen das Ergebnis zwar in das Bewusstsein reingespielt aber was da vorher abläuft und vor allem wie es abläuft, da haben wir nur einen ganz geringen Einblick.

Gibt es eine prozentuale Schätzung wie viel bewusst und wie viel unbewusst passiert?

Es gibt ein paar Diskussionen in der Richtung. Einige Hirnforscherkollegen gehen bis zu 95 Prozent unbewusst hoch. Ich würde das Unbewusste bei 70 bis 80 Prozent sehen. Unsere Entscheidungen fallen auf jeden Fall durch unbewusste Mechanismen. 20 – 30 Prozent laufen bewusst ab, wobei man auch hier sagen muss, dass auch diese 20-30 Prozent nicht so frei sind, wie wir glauben, sondern bewegen sich auch im Rahmen unserer Emotionsprogramme.

Wir Menschen gehen nach wie vor von einem freien Willen aus. Wenn ich mir Ihre Geschichten so anhöre, habe ich große Zweifel an diesem Gedanken!?

Zu Recht! Absolut zu Recht! Gibt es den freien Willen, ist auch eine heiße Frage in der Philosophie, die in den letzten Jahren viel diskutiert wurde und bei der sich Ernüchterung eingestellt hat. Letztendlich ist die Frage unentschieden. Das heißt natürlich, es gibt Philosophen die sagen es gibt den freien Willen. Dann gibt es aber auch Philosophen, speziell mit neurowissenschaftlichem Hintergrund, die der Meinung sind, dass der freie Wille doch sehr eingeschränkt ist. Ganz zum Schluss steht es unentschieden.

Eines ist allerdings klar: So wie wir glauben, dass wir alles frei entscheiden können, wie wir wollen, das können wir vergessen. Ob wir ganz zum Schluss noch so ein kleines Stückchen Entscheidungsfreiheit haben, darüber streiten sich die Geister und die werden sich sicherlich auch im nächsten Jahrzehnt noch weiterstreiten.

Wir sind also in Systeme eingebunden und diese Systeme beeinflussen unseren vermeintlichen freien Willen, wenn ich das richtig verstehe!? Sieht der freie Wille in z.B Mali anders aus, als der freie Wille in Mitteleuropa?

Genau, das sind die eigentlichen Probleme. Auf der untersten Ebene ist es schon mal unsere biologische Wahrnehmung. Wir nehmen die Welt in einer bestimmten Struktur wahr, die uns schon einmal vorgegeben ist. Wir nehmen die Welt nicht objektiv wahr, sondern aus einer Sicht, die für uns Menschen funktioniert. Die Emotionsprogramme und viele andere Programme in unserem Gehirn – warum finden Sie eine Frau schön oder Ähnliches – ist eine weitere Ebene unserer Wahrnehmung.

Die nächste Ebene, die Sie gerade angesprochen haben, ist ganz wichtig – unsere kulturelle Gebundenheit. Das heißt wir bewegen uns ohne, dass wir es merken immer in einem kulturellen Umkreis und beachten die Regeln ohne darüber nachzudenken. Das merken wir erst dann, wenn wir in fremde Kulturen kommen und dort anecken. Die nächste Ebene unserer Emotionssysteme ist der soziale Kontext, in dem wir uns ständig bewegen, die wir nicht hinterfragen.

Unsere individuellen Erfahrungen, die wir haben. Unsere eigenen Persönlichkeiten, die Emotionssysteme im Gehirn und wir werden noch von ganz vielen situativen Dingen beeinflusst, ohne dass wir es merken. Wenn Sie in einer Gruppe drinnen sind und alle schreien: Wir gehen nach A, dann werden Sie sagen, ja OK, wir gehen nach A. Es gibt noch viele andere Einflüsse und all das zusammen macht einen ungeheuer großen Anteil des Unbewussten aus und wir hinterfragen das Alles nicht. Außerdem ist auch unser bewusstes Denken nicht so effizient, wie wir glauben. Es schafft 60 Bits in der Sekunde, wohingegen unser unbewusstes Denken 11 Millionen Bits schafft.

Das ist ja unbeschreiblich!?

Ja, genau.

CONCENTRATE 2011 | Dr. Hans Georg Haeusel, Neuromarketing Experte

CONCENTRATE 2011 | Dr. Hans Georg Haeusel, Neuromarketing Experte Credit: Dr.Georg Haeusel

Gehen Sie davon aus, dass die unterbewussten Informationen, die auf mich niederprasseln auch irgendwo in meinem Kopf gespeichert sind?

Nein, nein das glaub ich nicht. Es gibt da sicherlich einen Filterprozess, dennoch wird auch einiges aufgenommen nebenbei. Informationsaufnahme kostet natürlich immer auch Energie. Unser Gehirn ist ein energetisches Sparschwein. Es versucht eigentlich, mit wenig Energie ein Maximum an Output und Effizienz zu erreichen.

Welche unbewussten Steuerungsmittel werden im Marketing und der Werbung angewandt, um dem Konsumenten von einem Produkt zu überzeugen?

Es gibt Tausende von Möglichkeiten, wenn man den gesamten Verkaufsprozess betrachtet, die die Kaufentscheidung beeinflussen können. Es gibt also nicht den Kaufknopf, der immer funktioniert. Es gibt nicht einen Kaufknopf, sondern Marketing bedeutet heute mit tausend kleinen Dingen die Entscheidung zu verändern. Das geht los beim Geschmack eines Produktes durch Geschmacksverstärker. Das geht weiter, wie ein Akku gestaltet ist!? Was bringt die Werbung?

Die nächste Ebene ist der Supermarkt, wie steht es im Regal usw… Wie wird es in den sozialen Medien besprochen, sind alles Dinge, die heutzutage eine Rolle spielen. Im Prinzip geht es immer darum, schnell ins Gehirn zu kommen, es dem Gehirn möglichst einfach zu machen und ein Maximum an Emotion bei jeder Berührung mit dem Produkt zu erreichen.

Wie und wie weit beeinflussen die unbewussten Programme in unserem Gehirn unseren Ablauf?

Sie werden überall beeinflusst. Vor dem Frühstück gehen sie einmal ins Bad. Da drinnen herrscht eine gewisse Grundlogik, wie es organisiert ist. Dann drehen sie den Radio auf, weil ihr Neugierdesystem sich meldet. Sie fahren auf der Landstraße und überholen einen langsameren Fahrer – herzliche Grüße aus ihrem Dominanzsystem.

Sie werden ärgerlich, weil jemand auf ihrem Parkplatz steht. Herzliche Grüße aus dem Dominanzsystem – jemand ist in ihr Territorium eingebrochen. Wenn sie ihren gesamten Tag durcharbeiten, haben Sie Tausende Einflüsse, die auf Sie einwirken. Angenommen sie sind Manager und entscheiden – wir machen das oder wir machen das nicht – je nachdem welche Einflüsse rund um sie, ihre Stimmung geprägt haben.

CONCENTRATE 2011 | Dr. Hans Georg Haeusel, Neuromarketing Experte

CONCENTRATE 2011 | Dr. Hans Georg Haeusel, Neuromarketing Experte / Credit:Dr. Georg Haeusel

Welche signifikantesten Neuigkeiten gibt es aus der Gehirnforschung bezüglich der Funktion unseres Gehirns?

Es gibt im Moment nichts Revolutionäres. Unser Gehirn ist so komplex, dass es Tausend verschiedene Forschungsrichtungen gibt, die sich mit den kleinsten Details beschäftigen. Es gibt immer wieder Fortschritte im Kleinen, die so langsam vor sich hin tröpfelt. Die letzten Quantensprünge waren, die Wiederentdeckung des Unbewussten oder die Vormacht der Emotionssysteme. Das waren so die letzten großen Erkenntnisse. Die wirklich sensationellen Quantensprünge sind eher rar, um ehrlich zu sein. Aber das ist wie in jeder anderen Wissenschaft auch, würde ich sagen.

Eines ihrer Spezialgebiete ist, die Neurologik des Geldes: Wie Finanzentscheidungen im Gehirn wirklich fallen – wie funktionieren unsere finanziellen Entscheidungen und welchen Nutzen können wir aus diesem Wissen ziehen?

Man muss zuerst überlegen, was ist Geld für unser Gehirn? Geld ist nichts anderes als generalisierte Lust in der Hosentasche verbunden mit einer Zukunftsoption. Sie können mit Geld im Prinzip auf alle Emotionssystem, vor allem auf die Positiven einbezahlen. Sie fahren auf Urlaub – ihr Neugierdesystem jubelt. Sie kaufen sich einen neuen Sportwagen – ihr Dominanzsystem jubelt.

Sie stocken ihre Lebensversicherung auf – ihr Sicherheitssystem jubelt und so weiter und sofort. Was man aus der Hirnforschung auch weiß ist, wenn ich ihnen Geld gebe, ist ihr Belohnungszentrum aktiv. Wenn ich ihnen Geld nehme, ist ihr Schmerzzentrum aktiv. Die Neurologik des Geldes hat mehr Aspekte. Das Risikoverhalten und die Entscheidungsgrundlagen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite die Anlageentscheidungen, welche emotionalen Strukturen stecken hinter diesen Entscheidungen!?

Die dritte Ebene ist die Beschränktheit in unserem Großhirn. Wir haben viele kleine Fehler im Gehirn, die uns immer wieder zu falschen Entscheidungen drängen. Es ist also ein breiter Bereich mit dem sich die Neurologik beschäftigt.

Welche kleinen Fehler wären das?

Naja, einer der größten Fehler ist vermutlich, dass wir die Zukunft nicht vorhersagen können.(…lacht) Das heißt, die Welt ist so komplex, dass wir die Gesamtheit aller Auswirkungen nicht erfassen können. Wie viele Wissenschaftler haben uns 2007 erklärt, dass es zum Finanzcrash kommen wird? Etwa 0,2 Prozent! Wie viele Wissenschaftler haben uns 2009 erklärt, dass es zum Crash kommen musste. Ca. 99 Prozent! Manche Informationen werden vom Gehirn übergewichtet, manche untergewichtet. Das ist die kognitive Seite der Neurologik. Die emotionale Seite der Neurologik sind unsere Emotionssysteme, die dafür verantwortlich sind, wie wir mit Geld umgehen.

Hat die Verführung des Geistes auch ethische Grenzen für Sie?

Da muss man jetzt ein wenig philosophisch werden. Es ist natürlich so, dass die Werbung manipuliert. Aber Manipulation ist etwas, das unseren Alltag durchzieht, da haben wir jetzt nicht auf die Werbung warten müssen. Das heißt jede Frau, die sich morgens schminkt manipuliert bereits. Jeder Pfarrer, der von der Kanzel den Teufel blutrünstig an die Wand malt, manipuliert und zwar in erheblichem Maße. Das heißt, Manipulation ist immer Teil unserer Kommunikation, weil wir beim anderen was erreichen wollen, bewusst oder unbewusst.

In der Philosophie gibt es aber dennoch klare Grenzen. Bei Kant heißt es etwa: Benutze den anderen niemals als Mittel, immer als Zweck. Sprich wenn der andere nicht eingewilligt hat, dass du ihn manipulierst, dann darf man das auch nicht. Das wäre die Kant´sche Logik. Platon hat gesagt: Manipulation ist Teil unseres Lebens, auch in der Politik. Er hat gemeint Manipulation wäre dann verwerflich, wenn sie dem anderen schadet. Nitsche hat gemeint, wenn du dem anderen ein anderes und spannendes Leben bringst und du ihn ermächtigst, kannst du ihn auch manipulieren.

Ich persönlich halte Manipulation dann für verwerflich, wenn ich dem anderen damit wissentlich schade, dann ist die Grenze erreicht. Wenn ich z.B Dreizehn – Vierzehnjährige zum Zigaretten oder Alkoholkonsum animiere, habe ich die Grenze schon lange überschritten.
Welche absoluten No go´s der Werbung sollten Unternehmen unbedingt vermeiden?
Die Fragen welche Produkte und welche Zielgruppen ausgenommen werden sollen, werden heute schon von Ethikkommissionen entschieden. Klassische No go´s wären auch die politische Korrektheit zu unterlaufen und etwa Witze über Minderheiten zu machen usw…

Welche Rolle spielen die Emotionen und wie lehren Sie diese, zu stimulieren?

Man muss zu Beginn ganz kurz klären, was eigentlich Emotionen sind!? Die meisten Menschen verwechseln nämlich Emotionen mit Gefühlen. Das wäre etwa so, als wenn sie ein Lenkrad als Auto bezeichnen. Emotionen sind also mehr als nur Gefühle. Antriebskräfte, die uns Ziele vorgeben und uns in eine gewisse Richtung bewegen. Emotionen sind sehr viel wirkmächtiger als Gefühle.

Emotionen sind auch nicht das Gegenteil der Rationalität. Ich handle dann rational, wenn es mir gelingt, die Vorgaben aus meinen Emotionssystemen, mit gutem Ausgang in die Möglichkeiten und Chancen meiner Umwelt einzusetzen.

 

Lesen Sie mehr unter: http://www.kopfsache-magazin.at/