Zwischen Höhenflügen und Schicksalsschlägen

Das letzte Interview mit „Edi“, dem Gründer der Alpinschule Bergspechte fand im März 2015 statt. Tragischerweise kam DI Eduard Koblmüller am 16. April in Georgien beim Abstieg vom Kasbek zu Tode. Für mich persönlich war Edi Arbeitgeber, Mentor und Freund gleichermaßen. Die Lücke, die er hinterlässt ist nicht in Worte zu fassen.

Im Interview erzählt er über die hohen Berge, die Einstellung von damals, das Aufwachsen der Kindern, Schicksalsschlägen und wie sich der Alpinismus mit den Jahren verändert hat. Er war ein Leben lang ein Freigeist der besonderen Kategorie, immer zu Scherzen aufgelegt und authetisch bis in die Zehenspitzen.

Foto:Gregor Hartl

Foto:Gregor Hartl

Es war einmal…

Zur Umsetzung seines Lebenstraums eröffnete er als Bergführer 1978, allen Unkenrufen zum Trotz, die Alpinschule „Die Bergspechte“ in Linz und hatte Erfolg. Das anfänglich kleine Angebot an alpinen Touren und Fernreisen wuchs in 36 Jahren zu einem stattlichen Reisekatalog, mit Fernreisen und Abenteuertouren in über 40 verschiedene Länder.

Mit der Führung einfacher Tagestouren hat alles begonnen. Es folgten unzählige aufwändige Expeditionen und Erfolge auf allen Ebenen der alpinen Kunst. Edi hat über fast vier Jahrzehnte die österreichische und internationale Bergsteigerszene inspiriert und bereichert. Jetzt hat er sich vom operativen Geschäft zurückgezogen und sein Unternehmen verkauft. „Ich wollte kein Leben haben, das voll und ganz vorprogrammiert ist – wo ich mit 50 genau weiß, was ich verdiene und welchen Titel ich habe. Wenn ich es mit einer Welle vergleiche, will ich die Wellenberge voll auskosten und muss dann auch die Wellentäler in Kauf nehmen.“

Edi Koblmüller als

Edi Koblmüller als „Youngster“,1968 Foto: Privat

In den frühen Sechzigern nahm ihn sein Vater, mit damals 17 Jahren, das erste Mal auf den Hohen Dachstein mit und es war um Edi geschehen. Die Welt der Berge hatte einen neuen, hungrigen, talentierten und unwahrscheinlich motivierten jungen Bergsteiger hervorgebracht, der sich innerhalb kürzester Zeit in den schwersten Kletterrouten der damaligen Zeit einen Namen machte.

Es folgten unzählige extreme Klettertouren und nicht zuletzt begann er die hohen Berge der Welt für sich zu entdecken. Als damals 22-Jähriger gipfelte der Entdeckungsdrang in einer Reise mit dem VW-Bus nach Afghanistan in den Hindukusch, wo ihm die Erstbesteigung mehrerer Sechstausender gelang. Zwei Jahre später folgte die erste selbstorganisierte Expedition ins Karakorum – sein Schicksalsgebirge – und die Besteigung des sehr schwierigen K6 (7281m). Damit war der Grundstein für das Expeditionsbergsteigen gelegt, das ihn den Rest seines Lebens begleiten sollte.

Edi ist einer der Generation Messner, einer derer, die gemeinhin als „verrückt“ galten und bei Otto Normalverbraucher nicht mehr als ein verständnisloses Kopfschütteln hervorriefen.

„Das extreme Bergsteigen war damals was für Außenseiter jenseits der Normalität, die irgendwo herumkraxelten. Heute ist die Entdeckung der Berge selbstverständlich für einen Großteil der Bevölkerung. Im Vergleich zu heute ist damals kaum jemand auf die Idee gekommen eine Skitour zu gehen. Mittlerweile sind die Berge in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie transportieren moderne Werte wie Beständigkeit, Durchhaltevermögen oder Verlässlichkeit und bieten natürlich nach wie vor jede Menge Abenteuer.“

Sie hatten Visionen, suchten das Abenteuer, wollten Neues entdecken und sich in den Bergen selbst beweisen, die jungen Wilden der 60er, 70er und 80er Jahre. Der Alpinismus war gerade dabei sich zu entwickeln und die Risikobereitschaft bei Herrn Koblmüller relativ hoch ausgeprägt.

Foto: Gregor Hartl

Foto: Gregor Hartl

„Wir wollen einfach wieder mal was gscheit´s machen“, war damals der Tenor. Daraus resultierte die Erstbesteigung der Cho Oyu-Südostwand (8201m) 1978, die auch heute noch als Husarenstück gilt. Nach einigen Problemen brachte ihm diese Tour die Anerkennung der gesamten alpinen Szene, inklusive Reinhold Messner, ein. Die Eroberung des Nutzlosen, wie es Messner einst lakonisch formulierte. Dem Berg sei es egal, ob wir ihn besteigen – in uns verändere sich etwas, ist Messner überzeugt. Die Rupalflanke am Nanga Parbat, der Daulaghiri, der Broad Peak, eine gescheiterte Expedition am K2 auf einer neuen Route und die Shisha Pangma folgten für Edi im 8000er Bereich. Er machte seine Vision zu einem erfolgreichen Unternehmen, mit dem er vielen seiner Gäste die spektakuläre Welt der Berge eröffnete. „Es freut mich, wenn Gäste Jahre später noch von den Erlebnissen der Touren erzählen.“

Expedition im Karakorum Foto: Privat

Expedition im Karakorum Foto: Privat

Zweimal wurde er selbst von einer Lawine verschüttet und glücklicherweise von seinen Skitourenpartnern jedes Mal wieder rechtzeitig ausgegraben. Unzählige Touren die auf Messers Schneide standen hat er überlebt, hat Freunde am Berg sterben sehen, bis ihn 1999 sein eigenes Schicksal einholte. Während er mit seinem jüngeren Sohn Reini in Pakistan am Broad Peak (8.047m) steht, verunglückt sein älterer Sohn Michi ein paar Täler weiter an einem 7.000er im Karakorum bei einem Lawinenunglück tödlich.  Knapp vier Jahre nach seinem Sohn stirbt seine Frau Liesi bei einem Kletterunglück. Die Liebe zu den Bergen hat er dennoch nicht verloren und mit dem Schicksal leben gelernt.

Du warst ein Pionier im Extrembereich. Heute interessieren wir uns, unter anderem, für die mentale Komponente dieser Touren. Gab es so etwas wie Mentaltraining in der damaligen Zeit? Wie seid ihr an eure Touren herangegangen?

Mentaltraining? Nein. Ich kann heute noch wenig damit anfangen. Wir sind bei unserem Versuch auf einer neuen Route den K2 zu besteigen, tagelang in sicherer Entfernung vor der Wand gesessen und haben die Lawinen beobachtet. Nach einigen Tagen war klar, dass unsere Route soweit sicher war. Das war es dann aber auch. Ich bin nicht dagesessen und habe drüber nachgedacht, ob ich mich traue, oder was ich riskiere, oder was passiert, wenn ich tot bin – zwei kleine Kinder zu Hause. Kein Gedanke daran.

Für viele Menschen unvorstellbar!

Das ist eines der Rätsel meiner eigenen Vergangenheit. Mit welcher Selbstverständlichkeit ich zu solchen Touren aufgebrochen bin. Es hätte keiner verhindern können und so war es auch mit meinen Söhnen. Wäre Michi nicht gestorben, hätte er mit Sicherheit meine damalige Route am K2 versucht und ich hätte es nicht verhindern können. Mit welcher Selbstverständlichkeit ich so Sachen aber auch mit meiner Familie gemacht habe!? ( … staunt über sich selbst)

Edis hat unzählige Erstbegehungen im Eis absolviert Foto: Privat

Edis hat unzählige Erstbegehungen im Eis absolviert Foto: Privat

Hast du da Beispiele?

Mitte der 80er Jahre kam das Gleitschirmfliegen auf. Ich habe gleich mal einen Kurs gemacht und begonnen zu fliegen. Aber auf eine Art und Weise, bei der ich mich heute noch sehr wundere, dass ich diese Zeit unverletzt überlebt habe. Allerdings war die Begeisterung, die ich für Berge und Gleitschirmfliegen hatte und auch ausgestrahlt habe auch mit ein Grund dafür, dass meine Alpinschule, in einem alpenfernen Gebiet, relativ schnell aufgeblüht ist. Meine Buam, damals 13 und 11, wollten dann natürlich auch und ich bin mit ihnen in die Dolomiten gefahren. Viel später, nach dem Unglück vom Michi, habe ich es als die Siegfrieds-Mentalität bezeichnet: Mir oder uns kann nichts passieren.

Lässt sich deine Lebenseinstellung auf die Siegfrieds-Mentalität reduzieren?

Es ist mit dem Alter abgeschwächt worden, aber im Kern bin ich noch immer so. Ich habe keine Ahnung, woher ich das habe, aber aus irgendeinem Grund gehe ich noch immer davon aus: „Es geht sich alles aus. Nachsatz – ganz wichtig: Wenn man das Richtige tut.“ Aus meiner Lebenserfahrung heraus habe ich zumindest meistens das Richtige getan, um zu überleben.

Wie beurteilst du die heutige Alpin- und Bergsteigerszene?

Für mich ist entscheidend, ob ein Mensch, bei dem was er tut, authentisch ist oder nicht – das ist für mich ganz entscheidend. Hans-Jörg Auer beispielsweise war in seinem Vortrag so authentisch und hat das auch so rübergebracht. Viele sind das leider gar nicht. Aus meiner Mentalität heraus ist es genau diese Eigenschaft, die ich nicht vertrage: mehr Schein als Sein. Wenn ich mir das Red Bulletin durchschaue, strotzt es geradezu vor solchen Aktionen.

Blenden und Schaumschlagen?

Ja, genau! Ich glaube das ist heute wesentlich mehr verbreitet als früher, weil du medial viel mehr Möglichkeiten hast. Mit einem entsprechenden technischen Aufwand kann man die Dinge so präsentieren, dass sie weit mehr scheinen als tatsächlich dahintersteckt. Den Film Mount St.Elias habe ich damals als „red-bullig“ bezeichnet, ohne die Leistung schmälern zu wollen. Vieles wurde großartiger und steiler und spitzenmäßiger inszeniert, als es vermutlich wirklich war. Diese Selbstbeweihräucherung geht mir auf den Wecker!

Edi am Denali

Edi am Denali Foto: Privat

 

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